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«Indien bietet einen grossen Markt für Schweizer Unternehmen»

IT, Produktion oder Vermögensverwaltung: Laut Mohandas Pai, einem bekannten Geschäftsmann aus Indien, eröffnen sich in dem Land zahlreiche Möglichkeiten für Schweizer KMU. In dem Interview spricht er über das Freihandelsabkommen zwischen Indien und der Schweiz, die neue Waren- und Dienstleistungssteuer und warum Indien für exportierende KMU interessant sein könnte.   

Mohandas Pai: «Indien und der Handel und die Investitionen der Schweiz haben ihr volles Potenzial noch nicht erkannt.»
Mohandas Pai: «Indien und der Handel und die Investitionen der Schweiz haben ihr volles Potenzial noch nicht erkannt.»

Mohandas Pai, vor einigen Wochen stattete Doris Leuthard, der Bundespräsident der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Indien einen Besuch ab. Welche Bedeutung hatte das für Indien?
Der Besuch war sehr interessant, da es der erste seit einer langen Zeit war. Während des Besuchs war die indische Regierung sehr offen und die Industrie war recht aufgeschlossen. Die Tatsache, dass es in vielen Bereichen Bewegung in Form von Abkommen gegeben hat, legte den Grundstein für eine sehr gute Interaktion. Ich denke, dass eine positive Stimmung gegenüber der Schweiz herrscht. Die Schweiz verfügt über Spitzentechnologie und sie hat Indien neben Finanzdienstleistungen auch weitere Dinge zu bieten. Indien hingegen bietet einen grossen Markt für Schweizer Unternehmen, die umfangreiche Expertise in der Fertigungstechnik für Konsumgüter und im Bereich Finanzdienstleistungen nach Indien bringen. Das war ein äusserst positiver Schritt und wir freuen uns auf mehr Investitionen der Schweiz.

In welchen Geschäftsfeldern sehen Sie konkrete Investitionen?
Investitionen können in vielen Bereichen getätigt werden, die für Schweizer Investoren von Interesse sein könnten. Es bieten sich Chancen in der High-Tech-Fertigung, im Uhrensektor, dem IT- und Technologie-Sektor, den Finanzdienstleistungen, der Vermögensverwaltung und so weiter. Die Schweiz hat die Qualität und viele Inder werfen auch einen Blick auf ausländische Investitionen. Wir haben hier viele Firmen mit grossem Wachstum und die indische Geschichte ist sehr überzeugend. Wir haben hier 26.000 Start-ups, die hinsichtlich der Ausgereiftheit nur ein paar Jahre hinter dem Silicon Valley zurückliegen und schnell wachsen. Indien wird in den nächsten 15 Jahren eines der drei Ziele in Bezug auf das Wirtschaftswachstum und ein riesiger Verbrauchermarkt sein. Das liegt daran, dass bei uns, im Gegensatz zum Rest der Welt, ein begrenztes Angebot besteht.

Die Schweiz und Indien führen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen. Spielt die FTA eine Schlüsselrolle im Handel zwischen diesen beiden Ländern?
Ich denke, dass das Freihandelsabkommen entscheidend ist, doch die Verhandlungen stehen noch an. Ich würde sagen, dass der Handel in Indien frei ist. Unsere Zollbarrieren sind sehr niedrig. Die durchschnittliche Zollbarriere beträgt nur 7 %. Und Indien importiert mehr als es exportiert. Das Handelsdefizit wird in diesem Jahr voraussichtlich bei 135 Milliarden Dollar sein. Indien ist Geschäften gegenüber offen und obwohl ein Freihandelsabkommen positiv zu bewerten ist, brauchen beide Regierungen zunächst Zeit, sich dazu zu verpflichten, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, da Indien innerhalb des Freihandelsabkommens eine Vereinbarung für Handelsdienstleistungen erreichen möchte. Ich bin mir sicher, dass Indien in der Lage sein wird, ein Freihandelsabkommen mit der Schweiz zu unterzeichnen.

Seit dem 1. Juli hat Indien die GST (engl.: Goods and Services Tax), die Waren- und Dienstleistungssteuer. Worin liegen Ihrer Meinung nach die Vorteile dieser neuen Steuer?
Ich denke, dass die GST die grösste Steuerreform seit der Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947 darstellt. Zum ersten Mal sind wir zu einem einzigen nationalen Markt geworden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir 29 verschiedene Märkte, weil Indien 29 Staaten umfasst. Jeder Staat hatte eine Grenze mit einem Grenzkontrollposten und ein Transport von einem Staat in einen anderen bedeutete, dass man die relevanten Dokumente an der Kontrollstelle freigeben lassen und dann in den nächsten Staat weiterreisen musste; und die Abgabeniveaus waren in verschiedenen Staaten unterschiedlich. Es war sehr ineffizient, innerhalb Indiens zu versenden; in gewisser Weise erinnert es an Europa vor der Europäischen Union.

Experten sagen, dass Schweizer Produkte durch die GST teurer sind als zuvor. Wie vorteilhaft ist diese Steuer wirklich?
Nein, ich denke, dass Schweizer Produkte billiger als zuvor sein werden, denn zuvor waren die Steuern höher. Um ein Schweizer Produkt zu verkaufen, mussten Sie Zollgebühren bezahlen, es freigeben lassen und es dann an einen Vertriebspartner verkaufen und der Vertriebspartner musste es an jemand anderen verkaufen. Darüber hinaus waren die Zölle, die Sie bezahlt haben, nicht nachvollziehbar und wurden nicht als Einfuhrsteuern gewertet. Wenn Sie heute Schweizer Waren an Endverbraucher in der gesamten Lieferkette verkaufen, werden alle Steuern als Einfuhrsteuern angesehen. Wenn Sie direkt an einen Verbraucher verkaufen, dann kommen vielleicht einige Einfuhrsteuern auf Sie zu, und wenn Sie von der Schweiz an den Endverbraucher verkaufen, gibt es eine leichte Steuererhöhung.

Am 5. Oktober werden Sie an der Asien Leaders Series-Veranstaltung in Zürich teilnehmen. Wie wichtig ist der Dialog zwischen Indien und der Schweiz?
Indien und der Handel und die Investitionen der Schweiz haben ihr volles Potenzial noch nicht erkannt. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Es gibt eine Distanz zwischen Indien und der Schweiz und wir müssen diese Distanz überbrücken. Wir sind alle sehr gespannt darauf, die Schweiz zu besuchen, Wirtschaftsführer zu treffen, ihre Fragen zu beantworten und ihre Marke für Indien zu entwickeln, denn die Zeit für Indien ist nun gekommen. Unser BIP wird voraussichtlich von 2,5 Billionen Dollar in diesem Jahr auf etwa 10 Billionen Dollar im Jahr 2030 wachsen. Wir erkennen also ein enormes Wachstum. Indien ist zwischen 1997 und 2017 auf Basis des Dollars um 8,4 % gewachsen. Und 8,4 % in jedem einzelnen Jahr. Das ist eine enorme Erfolgsbilanz und wir können in den nächsten 15 Jahren ein ähnliches Wachstum erwarten. Ein weiterer wichtiger Aspekt sollte ebenfalls erwähnt werden: Indien ist keine Top-down-Geschichte. Indien ist eine Bottom-up-Geschichte.

Über Mohandas Pai

Mohandas Pai ist ein bekannter Geschäftsmann in Indien. Er ist für seine langjährige Rolle als Vorstandsmitglied und Finanzchef von Infosys in breitem Masse anerkannt. Er stand 17 Jahre lang neben Narayana Murthy an der Spitze von Infosys und sie verhalfen dem Unternehmen zu einer Entwicklung von 100 auf 147.000 Angestellte. Er war der erste indische Finanzchef, der ein Unternehmen in die NASDAQ brachte. Seit seinem Rücktritt hat Mohandas Pai ein Ökosystem der Venture Fonds für Grenztechnologie im USA-Indien-Korridor ins Leben gerufen und damit ein erhebliches Kapital in einige der weltweit innovativsten, sich in ihrer Anfangsphase befindlichen Unternehmen eingeführt. 

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